Kleine Baustilkunde – Teil 2: moderne Stile

Im Walde Insight Newsletter vom September durften wir Ihnen die traditionellen Baustile – wie Klassizismus, Historismus oder Heimatstil – näherbringen und schlossen dabei mit dem Jugendstil als Übergang zur Moderne ab. Wir führen nun die Geschichte weiter mit dem 2. Teil, den Baustilen ab ca. 1910 bis heute.

Die Moderne (ca. 1910 – 1940)

Geläufig sind auch die dazugehörigen Begriffe «Neues Bauen», «Neue Sachlichkeit» und vor allem der «Bauhaus-Stil». Die Moderne setzt den traditionalistisch orientierten Baustilen eine Philosophie mit sozialem Gedanken entgegen. Gebäude mit viel Sonne, Luft und Licht als menschenfreundliches Ideal. Die Linien sind einfach, klar, kubisch und, vor allem: funktional. Stahl, Stahlbeton und viel Glas kommen zum Einsatz. Passende Mottos zu diesem Stil sind «Form follows function» oder auch «Weniger ist mehr». Ein Schweizer Beitrag zur Moderne sind z.B. die frühen Bauten von Le Corbusier.

Das Bauhaus wurde 1919 als Bildungsstätte für Kunst und Handwerk von Walter Gropius in Weimar gegründet und ist der prominenteste Repräsentant der Moderne in Europa. Oft abgebildete Originale sind die rekonstruierte Fassade des Bauhauses in Dessau oder im Original das Fagus-Werk in Alfeld (Niedersachsen). Bei Wohnimmobilien aus den 50er- und 60er-Jahren mit entsprechenden Merkmalen verweist man in der Immobilienvermarktung sehr gerne auf den Bauhaus-Stil.

Expressionismus und organische Architektur sind zwei Strömungen der Moderne, die sich von den oben genannten recht klar unterscheiden. Die organische Architektur strebt vor allem eine Harmonie von Gebäude und Landschaft an. Sprich, die Umgebung bestimmt massgebend die Gestaltung, wobei die Funktionalität aber weiterhin wichtig bleibt. Beim Expressionismus weicht die kubische Gradlinigkeit eher geschwungenen, organisch wirkenden Formen. Beispiele sind das Wohnhaus Fallingwater oder das Guggenheim Museum in New York von Frank Lloyd Wright.

Die Fünfzigerjahre-Architektur

Die Fünfzigerjahre, ein Jahrzehnt des Aufschwungs und Wohlstands, lockern die funktionale Schlichtheit der Moderne wieder etwas auf. Die Architektur wird leichtfüssiger, filigraner. Handwerkliche Details und einheimische Materialien zieren vermehrt die Bauwerke. Aussenräume werden mittels gedeckter Bereiche mit dem Gebäude verbunden, vermehrt wird mit Gartenarchitekten zusammengearbeitet. Das Bevölkerungswachstum wird mit grossflächigem Wohnungsbau befriedigt, es entstehen in der Schweiz grossflächige Gartenstadtquartiere.

Brutalismus (ab ca. 1955)

Der «brutal» klingende Begriff ist eigentlich harmlos und bezieht sich auf «roh» im Sinne von Rohmaterialien: Französisch «béton brut» – Sichtbeton. Dieser wird als gestalterisches Kernelement verwendet. Der Brutalismus kommt ab ca. 1955 auf und bleibt bis in die Siebzigerjahre im Trend. Le Corbusier ist ein bekannter Schweizer Architekt mit Bauwerken dieses Stils.

Internationaler Stil (1950er- und v.a. 1960er-Jahre)

Die Bezeichnung «International Style» fand bereits ab den Dreissigerjahren Verwendung und steht für eine minimalistische Architektur, die sich hauptsächlich an der Funktionalität orientiert. In die USA ausgewanderte deutsche Architekten verbreiten den Stil zuerst hauptsächlich in Nordamerika. In Europa verbreitet sich der Stil in der Nachkriegszeit, besonders in den Sechzigerjahren, wo vermehrt Hochhäuser und Grosssiedlungen entstehen. Bekannte Architektennamen dazu sind: Ludwig Mies van der Rohe, Oscar Niemeyer; in der Schweiz: Max Schlup.

Postmoderne (ab 1980)

Während die klassische Moderne (siehe weiter oben) Traditionen überwinden wollte und ihre Bauten der Funktion unterordnete, greift die Postmoderne frei auf diverse Bautraditionen zurück und überträgt sie mit modernen Materialien und Techniken in die Gegenwart. Säulen, Giebel, Bögen... die Formgebung darf wieder an die Geschichte erinnern. Die Funktionalität der Moderne erhält am Bau einen Bezug zur Umgebung und ihrer Geschichte. Wichtiger Schweizer Architekt ist hier der Tessiner Mario Botta.

Dekonstruktivismus

Gebäude wie Skulpturen (siehe oberstes Bild): Der Dekonstruktivismus legt architektonische Strukturen offen, indem er konventionelle Elemente auseinandernimmt und neu zusammensetzt – scheinbar völlig frei, spielerisch, asymmetrisch. Im Wohnungsbau selten, daher kommt man im Immobiliengeschäft auch weniger mit dem Stil in Berührung. Meist handelt es sich um öffentliche Bauten wie Museen, Konzertsäle etc. Bekannte Architekten dieser Stilrichtung sind Daniel Libeskind oder Frank O. Gehry.